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Offener Brief der MNF-Fachschaften für die Abschaffung der Prüfungsversuchsbeschränkungen

Sehr geehrte Mitglieder des Lenkungsausschusses Reakkreditierung,

wir, der Fakultätsausschuss (FA), als das auf fachübergreifender Ebene höchste beschlussfassende Organ der Student*Innenschaft der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (MNF) der Universität zu Köln, haben uns in der letzten Sitzung am 15.07.2019 zum Thema Versuchsrestriktionen beraten:

Die Fachschaften der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät schließen sich den Voten der Studierendenparlamente der Uni und der Sporthochschule an und fordern mit Nachdruck die Abschaffung sämtlicher Prüfungsversuchs-Beschränkungen.

Die Restriktion von Prüfungsversuchen ist in den meisten Studiengängen noch aus Diplom-Zeiten enthalten, allerdings waren in diesen Studiengängen nur die jetzt weitgehend abgeschafften Abschlussprüfungen Prüfungsleistungen. Die heutzutage verbreiteten Klausuren am Ende eines Semesters hatten damals den Status einer Prüfungsleistung und unterlagen keinerlei Restriktionen. Insofern wurde durch die formale Übernahme dieser Restriktion in die Bachelor- und Master- Studiengänge deren Charakter vollständig verändert. Im Laufe der letzten Reakkreditierungen wurden an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mehr und mehr dieser Versuchsrestriktionen aufgehoben, was sich, nicht nur, aus Sicht der Fachschaften sehr positiv ausgewirkt hat.

Gründe für eine Aufhebung aller Prüfungsversuchsrestriktionen

Für eine allgemeine Abschaffung von Versuchsrestriktionen sprechen hierbei, dass spätestens ab dem Zweitversuch bei betroffenen Studierenden Prüfungsangst-Resistenz immer mehr in den Vordergrund rückt und die Abfrage von fachlichen Kompetenzen für die Betroffenen in den 

Hintergrund rückt. In der Vergangenheit kam es aus Prüfungsangst zu verschiedenen Fällen, in denen Studierende Drittversuche bis zum Ende des Studiums, teilweise sogar bis nach der Bachelorarbeit aufgeschoben hatten, um dem endgültigen Nichtbestehen aus dem Wege zu gehen. Teilweise als Reaktion darauf eingeführte weitere Restriktionen, die auf eine zum Teil festgelegte Prüfungsreihenfolge hinaus laufen, haben nicht nur Studiengänge für alle Studierenden unflexibel und verschult gemacht, sondern das Problem auch nicht gelöst, weil sie bei Betroffenen zur Folge haben, dass gegebenenfalls mehrere Prüfungen gemeinsam hinausgezögert werden.

Wegen eines Drohenden Zweit- oder gar Drittversuchs werden auch vermehrt Prüfungen derart intensiv vorbereitet, dass oft nur ein oder zwei der möglichen Prüfungen einer Prüfungsphase angetreten werden statt alle zu versuchen anzutreten. Hierdurch wird auch von vielen Studierenden die zur Prüfungsvorbereitung vorgesehene Zeit entsprechend der ECTS-Punkte überschritten. Die Beschränkung auf drei Prüfungsversuche durch die Prüfungsordnungen wird von vielen – auch von nicht direkt Betroffenen – mehr als blinde Bevormundung denn als sinnvoller Anstoß zur Neuausrichtung der Zukunft der Betroffenen gesehen.

Dies gilt umso mehr, als sie zur Folge haben, dass Betroffene in Deutschland nie wieder Fach- Gleiche Studiengänge studieren dürfen. Dies ist unverhältnismäßig, da es einerseits verneint, dass sich die Betroffen weiter entwickeln können und es zudem einen extremen pekuniären Verlust und verlorene Zeit darstellen. Angesichts dessen stellen Prüfungsversuchsbeschränkungen Dozierende regelmäßig vor die unzumutbare Entscheidung, durch kreative Umgehungsmöglichkeiten für Einzelfälle eine Zwangsexmatrikulation zu verhindern oder die Zukunftschancen für die Betroffenen, unkorrigierbar einzuschränken. So hat das Bestehen eines endgültigen Versuchs auch oft den Beigeschmack, dass das Bestehen nicht nur der eigenen Leistung zuzuordnen ist.

Vor allem aber haben Prüfungsversuchsrestriktion für alle Studierenden zur Folge, dass Module weniger nach persönlichen Interessen, sondern vermehrt nach der Wahrscheinlichkeiten für sicheres und gutes Bestehen gewählt werden. Es findet eine systematische Erziehung zu „Bulimie- Lernen“ von potenziellen Klausuraufgaben statt, anstatt zu wissenschaftlichem Arbeiten.

Abschließend muss noch festgestellt werden, dass angesichts immenser Durchfallquoten in einzelnen Klausuren die Gründe für nicht-bestandene Prüfungen auch bei der Konzeption der Module oder in der didaktischen Qualifikation von Dozierenden verortet sein können. Diese Schwierigkeiten sollten (auch im Rahmen der aktuellen Reakkreditierung) systematisch analysiert und behoben werden, anstatt sie zu Lasten der betroffenen Studierenden zu legen. Dies scheint 

insbesondere deshalb erfolgversprechend zu sein, als zahlreiche Studiengänge aller Größen und Fachrichtungen an der Uni Köln wie an anderen Unis seit Jahren ohne Klausurversuchsrestriktionen auskommen.

Entkräftung von Gegenargumenten

Oft wird als Argument für Versuchsrestriktionen darauf verwiesen, dass es im Sinne der Studierenden sei, diese davon abzuhalten ihre Zeit mit einem Studium zu verschwenden, für das sie anscheinend nicht geeignet seien. Dieses Argument halten wir für bevormundend und dem Sinn eines Studiums widersprechend. Durch ein Studium sollen die Studierenden dazu angeregt werden, eigenständig zu denken, zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Die Möglichkeit, diese Selbständigkeit zu erlernen, setzt voraus, angstfrei Fehler machen und korrigieren zu können. Sie wird für alle Studierenden erheblich eingeschränkt, wenn es nicht möglich ist, eine Prüfung öfter als drei Mal nicht zu bestehen, ohne die verheerenden Folgen einer Exmatrikulation zu fürchten.

Im Sinne aller Studierender ist es viel sinnvoller, ab einer gewissen Anzahl an Fehlversuchen eine Studienberatung zu empfehlen. Gegebenenfalls kann so auch geprüft werden, ob neben unzureichender Studienleistungen auch strukturelle Defizite existieren. Der finanzielle Druck eines verlängerten Studiums erscheint uns zudem ausreichender Anreiz zu sein nach mehreren Prüfungsfehlversuchen das Studium eigenständig zu hinterfragen.

Als weiteres Argument für Versuchsrestriktionen wird die Befürchtung geäußert, dass ein Mehraufwand durch mehr schlechter vorbereitete Studierende in Prüfungen erwartet wird. Hierzu existieren u.a. aus den Departments Mathematik und Physik, in denen die Klausurversuchsrestriktionen im Rahmen der letzten Reakkreditierung weitgehend abgeschafft wurden, Zahlen, welche diese Befürchtungen widerlegen. Umgekehrt hat die Einführung von Klausurversuchsrestriktionen an der Humanwissenschaftlichen Fakultät – ebenfalls im Rahmen der letzten Reakkreditierung – dort nicht dazu geführt, dass sich die Studierenden besser auf Klausuren vorbereiten und die Durchfallquoten signifikant gesunken wären. Zudem gibt es die Rückmeldung aus den Studiengängen ohne Klausurversuchsrestriktionen, dass der darin zum Ausdruck kommende Geist, Menschen niemals eine Entwicklungsmöglichkeit abzusprechen und stattdessen auf lebenslanges Lernen zu setzen, für Studierende mit Kind und für Studierende auf dem zweiten Bildungsweg Hauptargumente für den Standort Köln waren.

All dies bringt uns dazu, dass die flächendeckende Abschaffung aller Versuchsrestriktionen im Rahmen der anlaufenden Reakkreditierung mit hoher Priorität zu verfolgen. Eine Erhöhung der Versuchsanzahl scheint uns hingegen in keinem der genannten Punkte deutliche Verbesserungen herbeiführen zu können. Dies wird auch maßgebliche Grundlage für das Abstimmungsverhalten aller studentischen Vertreter*innen der Fakultät in sämtlichen mit der Reakkreditierung befassten zahlreichen Gremien (insb. EF, LSK und Studienbeirat) sein.

Viele Grüße senden die Fachschaften der MNF auf Beschluss des Fakultätsausschusses unter Ausführung des Fakultätsrates